Donnerstag, April 25

Prozess wegen Hausbesetzung: Stiftung lässt Häuser verfallen – Aktivist*innen sollen sich verantworten

Jena. Am Dienstag 23. Oktober findet ab 10:00 Uhr im  Amtsgerichtes Jena ein Prozess gegen drei Beschuldigte statt. Diese sollen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft am 17. Oktober 2016 in ein leerstehendes Haus (Carl-Zeiss-Straße 10) der Ernst-Abbe-Stiftung eingedrungen sein. Ihnen wird Hausfriedensbruch und einem der Angeklagten Nötigung zur Last gelegt.

Im Jahr 2016 hatten zahlreiche Aktivist*innen ein seit langer Zeit leerstehendes Gebäude, der Stiftung in den Nachmittagsstunden besetzt. Es sammelten sich etwa 100 Personen zu einer spontanen Demonstration vor dem Gebäude. Die Besetzer*innen verhandelten vor Ort mit der Besitzerin des Gebäudes, um eine langfristige Nutzung als soziales Zentrum zu erreichen. Begründet wurde die Aktion mit einer Kritik an der Kommerzialisierung, bei gleichzeitigem Mangel (auch durch Leerstand), an  Wohnraum in Jena und dem Wunsch nach einem kollektiv gestalteten Raum.

Am 17. Oktober 2016 wurde das Haus in der Carl-Zeiss-Straße 10 besetzt, um auf die Wohnungsnot in Jena hinzuweisen, gegen die ungerechte Eigentumsordnung in unserer Gesellschaft zu protestieren und um ein soziales Zentrum für verschiedene Bewegungen in unserer Stadt zu erkämpfen

Gruppe Wolja Oktober 2016

In den Verhandlungen konnte jedoch keine Einigkeit über diese Nutzungsform erzielt werden. Besonders die Frage, ob die Besetzer*innen zunächst das Haus verlassen, oder zuerst Verhandlungen geführt werden, führte zu Dissens. Die Frage, ob eine Zwischennutzung möglich wäre konnte so nicht geklärt werden und die Stiftung stellte noch am Abend Strafantrag gegen die Besetzer*innen.

Die Ernst-Abbe-Stiftung vermietet in Jena einige Wohnhäuser. Stadtbekannt ist auch das akut räumungsgefährdete soziokulturelle Wohnprojekt Inselplatz 9A (Die Insel). Dieses wurde zwar zwischenzeitlich vom Land Thüringen gekauft, ist aber weiterhin von der Stiftung verwaltet.

Am folgenden Morgen (18.10.2016) sollte die Besetzung von der Polizei geräumt werden. Hierbei wurden die Menschen vor dem Gebäude von der Polizei vertrieben und anschließend das Gebäude betreten. Nach Angaben der Aktivist*innen wurden keine Menschen im Gebäude aufgefunden. Nach der Räumung wurden durch den Eigentümer die Fenster und Türen versiegelt, um den Leerstand des Gebäudes zu wahren. Die in Stiftungseigentum stehenden Gebäude in der Straße stehen bis heute leer, ebenso die in Landesbesitz stehenden Gebäude liegen brach.

In Anbetracht des jahrelangen Leerstandes und unter dem Eindruck eines aus dem Ruder gelaufenen Wohnungsmarktes, erscheint das Verhalten der Ernst-Abbe-Stiftung und des Landes Thüringen zumindest moralisch zweifelhaft. Es stehen nun Menschen vor Gericht, welche nicht in dem Haus aufgegriffen wurden. Die Problematik auf welche aufmerksam gemacht werden sollte, blieb scheinbar ungehört und die Stiftung lässt vorhandenen Wohnraum verfallen. Ob dies im Sinne des Namensgebers Ernst Abbe sein dürfte erscheint fraglich. Dieser versuchte gerade in seinem letzten Lebensabschnitt durch soziales und politisches Engagement bessere Lebensbedingungen in Jena und Umgebung zu erreichen.  Auch im Stiftungsweck der Ernst-Abbe-Stiftung heißt es:

[insbesondere] dem Betrieb und der Förderung gemeinnütziger Einrichtungen und Maßnahmen zugunsten der Einwohner Jenas und seiner nächsten Umgebung [zu fördern]

Ernst-Abbe-Stiftung

In wie fern vielfacher Wohnungsleerstand die Einwohner*innen Jenas begünstigt ist rätselhaft. Wir haben der Stiftung diesbezüglich einen Fragenkatalog zugesandt und berichten im Laufe der Woche über die Sichtweise der Stiftung.

Am Dienstag ruft eine Unterstüter*innengruppe der Angeklagten zu einer Kundgebung ab 9:00 Uhr vor dem Amtsgericht auf. Der Prozess beginnt eine Stunde später.

Autor*innen

Jennifer Rieck, Martin Michel Foto: Pekari

Update 22.Oktober 12:06:
1. Entgegen der Darstellung im Artikel wurde im Haus eine Person angetroffen.
2. Nach unseren Informationen findet am Dienstag nur ein Prozess gegen zwei Personen statt. Die dritte Person ist nicht auffindbar.

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