Donnerstag, März 28

Fachdienst Gesundheit: „In keinster Weise eine Abflachung“ der Infektionswelle in Jena

Bild: Adam Niescioruk/Unsplash

Jena. Der Fachdienst Gesundheit meldete für heute 210 bekannte aktive Fälle von Covid-19 in der Stadt. Es sei trotz der neuen Kontaktbeschränkungen bislang „in keinster Weise eine Abflachung“ der Infektionswelle zu erkennen, so die Leiterin und Amtsärztin Dr. Bán in einer Pressekonferenz am Freitagvormittag. Diese Situation decke sich mit der Thüringens insgesamt. Das Uniklinikum meldet derweil (Stand Donnerstag) 29 Patient*innen in Behandlung für Covid-19, davon 14 auf der Intensivstation, sechs von ihnen mit invasiver Beatmung.

Die Lage im Gesundheitsamt sei „maximal angespannt, mehr noch als bei der ersten Welle“. Würde man die Belegschaft auf Burnout untersuchen, würde sich das auch dort bestätigen, resümiert die Fachdienstleiterin ernüchtert. Die Arbeitsschichten des Bereitschaftsdienstes sind teils von 6 bis 7 Uhr früh bis 1 Uhr abends angesetzt, weil die Benachrichtigungen der Labore erst spät eintreffen. Und das, obwohl sich der Fachdienst für die Pandemie zu den bisherigen 39 Mitarbeiter*innen noch weitere 29 dazuholte, ein weiterer Stab von 20 Personen täglich untereinander Absprache hält und die Bundeswehr bei der Kontaktnachverfolgung und an der Abstrichstelle mit eingespannt ist. Auch am Wochenende muss durchgearbeitet werden. An weiterem Fachpersonal sowie verfügbaren Räumlichkeiten gibt es einen Mangel, aber der zivile Einsatz der Bundeswehr wird voraussichtlich verlängert werden, um die Arbeit des Amtes unter dem Druck der Coronakrise zu gewährleisten. Mit Ausnahme des sozial-psychiatrischen Dienstes der Stadt, dessen eigenständige Arbeit zurzeit auch in hoher Nachfrage stehen dürfte, sind alle Angestellten des Fachdienstes Gesundheit in die Betreuung der aktiven Fälle involviert.

„Wir laufen dem Infektionsgeschehen aktuell hinterher.“

Dem Gesundheitsamt ist es unter diesem Aufwand noch möglich, Kontakte zurückzuverfolgen. In manchen Kommunen in Deutschland haben dies die Gesundheitsämter schon aufgeben müssen und überlassen das vollkommen den entsprechenden Privatpersonen. Aber das bedeutet für Jena keineswegs eine Entwarnung, denn an jedem einzelnen Fall hängt viel Arbeit. Auch die administrative Betreuung der weit über 1.000 in Quarantäne befindlichen Menschen steht in der Verantwortung des Gesundheitsamtes, „ein enormer Arbeitsaufwand“, sagt Dr. Bán. Die Arbeit und die Möglichkeiten zur Prävention werden dadurch noch erschwert, dass Informationen aus anderen Landkreisen und Bundesländern erst mit einer Woche Verzögerung eintreffen. Das Urteil der Fachdienstärztin: „Wir laufen dem Infektionsgeschehen aktuell hinterher.“

Die Wucht der zweiten Welle erklärt sich unter anderem aus den Lockerungen des Sommers. Dr. Bán meint, durch sie hatte „das Virus die Zeit, durch die ganze Bevölkerung durchzudiffundieren“. Einen großen Anteil machten dabei Urlaubsrückkehrer*innen aus, momentan spitze sich die Lage aber vor allem aufgrund des massiven Infektionsgeschehens an den Jenaer Schulen und Kindergärten zu. Hier gelten ab 1. Dezember neue Regeln, die den Schulen mehr Autonomie in der Auferlegung neuer Kontaktbeschränkungen für Schüler*innen geben. Dr. Bán stellte sich hinter den „gesellschaftlichen Konsens“, die Schulen offen zu halten, gestand aber ein, dass eine zweiwöchige Schließung sich wohl entspannend auf die Entwicklung der Pandemie auswirken würde. Alternativ könnte auch eine Maskenpflicht im Unterricht ab der fünften Klasse Wirkung zeigen.

Außerdem sei der öffentliche Nahverkehr höchstwahrscheinlich für den bisher ungebremsten Wiederanstieg der Fallzahlen von Covid-19 verantwortlich, obwohl es dazu keine Daten gebe, fuhr die Amtsärztin fort. Direkt zum Risikofaktor Arbeitsstelle äußerte sie sich nicht. Das Gedächtnis der Menschen, die infiziert worden sind, sei in vielen Fällen auch nicht sehr belastbar. „Die Leute müssten Clustergeschehen im Kopf haben,“ meint Dr. Bán, könnten sich aber häufig nicht einmal mehr an Restaurantbesuche in letzter Zeit erinnern.

Da sich die Auswirkungen neuer Kontaktbeschränkungen – wie die der Allgemeinverfügung von letzter Woche – erst allmählich zeigen, bleibt dem Gesundheitsamt nur das Bangen und Hoffen, dass es seine Kapazitätsgrenzen bis zum Ende des Jahres nicht überschreiten wird. Nicht nur die kalte Jahreszeit und damit verbundene Aufenthalte in Innenräumen, sondern besonders die nahenden Feiertage drohen der Stadt zum Verhängnis zu werden.

(pj)

Eine automatisch aktualisierte Corona-Statistik für Jena kann man bei uns hier abrufen. Abweichungen von den Informationen des Robert-Koch-Instituts ergeben sich aus dem Meldeverfahren zwischen den kommunalen, landes- und bundesweiten Behörden.

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