Freitag, April 19

Hinter fehlenden Masken: Gewalttaten und Verleumdungen bei Querdenkenden in Jena

Symbolbild. Antifaschist*innen demonstrieren in der Johannisstraße gegen einen Aufzug von Querdenkenden am 10. Januar. In solchen Situationen wurden immer wieder Gegendemonstrierende angegriffen. Bild: Philipp Janke/Libertad Media

Jena. Wie im Rest der Republik finden sich auch in Jena mittlerweile wöchentlich Querdenkende zu meist unangemeldeten Demonstrationszügen zusammen. Dem stellen sich zunehmend Menschen aus der Zivilgesellschaft entgegen. Mit dem Bündnis Jena Solidarisch haben sich zahlreiche Jenaer Organisationen und Einzelpersonen zusammengeschlossen, um die vernünftige Mehrheit der Gesellschaft abzubilden: „Wir wollen, dass diese Mehrheit öffentlich wahrgenommen wird und nicht eine kleine, aber lautstarke Minderheit alles dominiert, die sich nicht eindeutig von menschenfeindlichen Gruppen und Handlungen abgrenzt“. Die Aufzüge der Querdenkenden sind nach den aktuellen Infektionsschutzregeln untersagt und werden formal „aufgelöst“, also verboten. Bislang ist es der Thüringer Polizei jedoch kein einziges Mal gelungen, die Aufzüge zu unterbinden, geschweige denn flächendeckend die Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. In den letzten Wochen kam es zunehmend zu Blockadeversuchen aus den Reihen der Gegendemonstrierenden, die diese Aufzüge stoppen wollten. Der wachsende Protest gegen die Gruppe an Maßnahmengegner*innen erzeugt scheinbar eine gewisse Frustration in deren Reihen, die zuletzt zunehmend in Gewalttätigkeiten gegen die Gegendemonstrierenden mündete. 

Zwar ziehen sie mit ihrem Protestmantra „Liebe, Freiheit, keine Diktatur!“ scheinbar pazifistisch durch die Straßen, jedoch werden im Rahmen der Proteste zunehmende gewalttätige Angriffe auf Berichterstattende und den politischen Gegner festgestellt. Die Angriffe erfolgen sowohl aus den Reihen von namentlich bekannten Organisator*innen der Aufzüge als auch von optisch „bürgerlich“ erscheinenden Teilnehmenden. Am vergangenen Montag zeigte sich auch eine ansteigende Teilnahme von aktionsorientiertem Klientel aus der Neonaziszene. Die Polizei wirkt in dieser Gemengelage zunehmend überfordert und ist nicht in der Lage, die Angriffe zu unterbinden oder zu verfolgen. 

Abschürfungen im Gesicht eines Gegendemonstrierenden am Montag 24. Januar 2022 (Quelle: Privat)

Einem jungen Antifaschisten wurde am Montag am Johannisplatz von einem Querdenkenden mit beiden Händen der Kiefer zusammengedrückt und die Schutzmaske entrissen. Dabei wurde sein Kopf Richtung Boden geworfen. Er trug Verletzungen im Kopfbereich davon. Angreifer war ein älterer Mann. Am Johannistor versuchten einige Menschen – optisch dem Neonazispektrum zuzuordnen – eine Blockade zu durchbrechen, sie waren sichtlich auf eine Konfrontation aus. Auch einige Meter weiter versuchten Querdenkende durch eine angemeldete Kundgebung der JG-Stadtmitte zu gelangen. Dabei setzten sie Schläge ein und schubsten immer wieder die Menschen auf der Kundgebung. Die Polizei griff nicht ein und machte (bereits vor dem Aufeinandertreffen) die angemeldete Versammlung für die Eskalation verantwortlich. Polizeilichen Schutz gab es für die Versammlung in dieser Situation keinen. Die zwei einzigen anwesenden Polizist*innen waren sichtlich überfordert, während die Querdenkenden ohne Polizeibegleitung durch die Straßen zogen. 

Im Bereich der Straßenbahnunterführung neben dem Holzmarkt hatten Antifaschist*innen eine große breite Blockade quer über die Straße gezogen. Dort wurden sie von Jens Thino Friedrich, einem der Organisatoren der montäglichen Aufmärsche, und seinen Begleitern angegriffen. Friedrich hatte bereits vor einigen Wochen im Paradiespark versucht, eine Antifaschist*in in einer kleinen Blockade anzugreifen, war dabei aber selbst gestürzt. Neben dieser Situation wurde auch ein Mensch aus der Blockade gezogen und auf den Boden gestoßen. 

Einer der Organisator*innen der Maßnahmenkritischen Spaziergänge greift eine antifaschistische Blockade an. Jena. 24. Januar 2022

Auch eine andere „Spaziergängerin“, wie sie ihre Aufzüge selbst betiteln, schlug vor einigen Wochen auf die Reihen einer Blockade ein. Ein weiterer Organisator, Wilhelm Tell, musste sie dabei sogar zurückhalten, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Tell führt die meisten der Aufzüge mit einer Laterne an und scheint ihnen den Weg zu zeigen. Er ist wie Friedrich einer der Administratoren der internen Telegram-Gruppe zur Planung der Aufzüge. 

Frau schlägt auf Blockade von Antifaschist*innen am Fürstengraben ein.

Auch zu schwereren Übergriffen ist es bereits gekommen. Am 20. Dezember 2021 hatte im Anschluss an die Demo des angeblichen Pflegepersonals eine junge Frau beschlossen, die aufgestellten Kerzen nach der Kundgebung zu löschen. Die Antifaschistin wurde als „Schlampe“, „Nazi-Fotze“ und vieles Weitere von den Anwesenden tituliert. Ein Mann begann sie mehrfach zu stoßen. Dabei war sie vollkommen passiv und hielt mit beiden Händen eine Wasserflasche. Sie wurde zu Boden gestoßen, und mehrere Querdenkende sprangen auf sie und fingen an, an der am Boden liegenden Frau herumzuzerren, ein anderer versuchte nach ihr zu treten. Polizist*innen befreiten die junge Frau, kündigten aber sogleich eine Strafanzeige wegen Körperverletzung an, weil sie das Opfer für die Täterin hielten. Bei dem Angriff erlitt die junge Frau eine Knöchelverletzung, die mehrwöchige Genese erforderte. Die Verletzungen mussten medizinisch versorgt werden. 

Querdenkende erfinden Bedrohungen aus der JG-Stadtmitte

Aus den Reihen der Querdenkenden wiederum wird versucht, eine Bedrohungslage zu erfinden, die an Rufmord grenzt. Friedrich postet in der internen Koordinationsgruppe „Spaziergänge Jena“ eine frei erfundene Geschichte zu einer Bedrohungslage aus dem Umfeld der JG-Stadtmitte gegen seine Person: 

Übrigens wurde ich heute Nachmittag, während einem Aufenthalt in Jena, von Hannes Gründler gewarnt, daß man sich gerade in der JG in Gewaltphantasien gegen die „Hetzernazis“ Friedrich, Nöhren und Tell ergeht. Da werden Szenarien wie Beinebrechen, das Maul endgültig stopfen, Nazibirne spalten u.a. durchgehechelt. Er sagte mir, wir würden uns „auf sehr dünnem Eis“ bewegen und daß es besser wäre, wir „würden uns eine Zeitlang etwas Zurücknehmen

Jens Thino Friedrich, interne Telegram-Gruppe

Die Geschichte ist erlogen: Gründler ist Fotograf und hatte tatsächlich einige Sätze mit Friedrich in der Johannisstraße gewechselt. Vor irgendwelchen Gewalttaten oder Andeutungen hatte er allerdings nicht gesprochen, wie er unserer Redaktion versicherte. Er hatte Friedrich gesagt, er bewege sich „auf dünnem Eis“, was die Beiträge auf seiner Facebook-Seite betreffe, mehr nicht. Eine Einschätzung, mit der Gründler nicht Unrecht hat: Friedrich musste sich bereits wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht Jena verantworten, weil er den Leiter des Jenaer Rechtsamtes übel im Internet beleidigt hatte. Er hatte diesen als „Gestapo-Hauptkommissar“ bezeichnet. 

Die Geschichte, einmal in der Welt, verbreitet sich rasend in rechtsradikalen Kreisen und kann zu einer tatsächlichen Bedrohung für die JG-Stadtmitte werden. In einem weit verbreiteten Blog-Beitrag wird aus dem kleinen Kommentar zu einer Facebookseite ein umfassendes Bedrohungsszenario erdacht: „In Jena (Thüringen) macht die sogenannte Antifa jetzt verstärkt gegen Kritiker der umstrittenen Corona-Politik mobil. Handfeste Drohungen werden ausgestoßen: Schädel sollen gespalten und Beine gebrochen werden, wenn nicht sofort ‚die Füsse stillgehalten‘ würden“ – geschrieben von Vera Lengsfeld, rechter Bloggerin und dem Umfeld der AfD zuzurechnen. Der Blog-Beitrag wird aktuell in unzähligen rechtsradikalen Chats verlinkt. 

In einem Redebeitrag auf der Hauptkundgebung des Bündnisses wünschte sich Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (DIE LINKE) mehr Solidarität für diesen gezielten Verleumdungsangriff aus der rechtsradikalen Szene. Man müsse Solidarität auch praktisch werden lassen, „indem man sich mit der JG-Stadtmitte hinstellt und ganz klar diese Verleumdung zurückweist“. Diese Worte richtete sie im Besonderen an das Bündnis, welches sich bislang nicht zu den Vorwürfen gegen eines der eigenen Bündnismitglieder geäußert hat.

(MM)

3 Comments

  • Grosser Klaus

    Ich habe mich impfen lassen, aber ich verstehe diese Maßnahmen und vor allem die angeblich „linken“ Befürworter nicht. Die sogenannte Antifa rennt rum und erklärt staatliche Maßnahmen als gut und jeder, der sein Recht auf Demonstrationen wahrnimmt, ist ein schlechter Mensch. Wenn die Impfung so toll ist, warum habt ihr dann Angst vor der Ansteckung durch Ungeimpfte? Ich hab keine Angst und treffe mich weiterhin mit Ungeimpften wie Geimpften. Es ist einfach geisteskrank, wie die Altlinken Werte (d. h. Friedensbewegung, antiautoritär) von den neuen Regenbogenlinken abgeschossen werden. NATO ist nach denen toll, alle staatlichen Maßnahmen während Corona sind toll. Autoritär und staatsgläubig sind eigentlich Rechte. SPD und Grüne haben durch Agenda 2010 und mit Joschka Fischer schon viel verspielt, aber spätestens jetzt zeigen sie ihr wahres Gesicht. Und was sagt ihr zur spanischen Regierung, die Corona als Grippe behandeln wollen? Die tschechische Regierung, die eine Impfpflicht vermeiden möchte? Die britische Regierung, die die Maßnahmen auch aufhebt? Alle außerhalb von Frankreich, Österreich, Deutschland und Italien haben erkannt, dass derlei autoritäre Bestrebungen zu einer Spaltung führen. Sind das alles Nationalsozialisten? Es bleibt für mich dabei die Feinde hocken nicht nur bei AfD, FDP und Union. Von denen erwarte ich auch reaktionäre Politik. Die Feinde sitzen auch bei Grüne und SPD. Diese amerikanisch-treuen, autoritären Regenbogenlinken und Impfwütigen sind genau dieselben. Jeder hat das Recht abzuwägen, ob eine Impfung für ihn okay ist, ohne Repressalien wie 2G,/3G und gesellschaftlichen Druck. Wer das nicht versteht, hat den Boden des Grundgesetzes verlassen und ist weder links noch rechts, sondern einfach ein Schwachkopf.

    Was unterscheidet das System „Libertad Media“ von eigentlich dem des Spiegels?
    Im Kern sind beide doch sehr ähnlich. Der Spiegel wiederholt die Meinung derer, die ihm Donationen über ihre Stiftung zukommen lassen und „Libertad Media“ die Meinung seiner Klientel, die gerne in den polierten Spiegel ihrer schein-gerechten Weltsicht sehen. Unabhängiger und kritischer Journalismus sah einmal völlig anders aus, doch mittlerweile ist er von der Gnade des Geldes zum Kleingeist domestiziert worden.
    Anstatt einmal die Frage zu stellen, wer diesen Pandemie-Irrsinn bezahlt, in den der Staat und Gesellschaft gelockt wurden, wieso öffnet denn niemand das Fass der explodierenden Staatsschulden, die dieses Ereignis verursacht? Ganz einfach,weil der Kleingeist diese Dimensionen einfach nicht mehr erfassen kann. Genau deshalb deutet er lieber wie ein Vergrämter auf die Diebereien seines Nachbarn.
    Diese klammheimliche Freude wird dem Kleingeist aber ein sehr böses Erwachen bescheren, denn die jetzt angehäuften Staatsschulden können nur noch mit einer Vermögensabgabe bezahlt werden. Diese Befreiung von seinem erdrückenden Besitz bietet dann auch dem Kleingeist wieder reelle Chance zu wachsen und damit seinen Horizont zu erweitern. Vielleicht schreibt er ja dann im Jahr 2024 einmal über eine völlig andere Sicht der Dinge.

    Anstatt sich mit der Kritik argumentativ auseinanderzusetzen, wird hier zensiert, „Libertad Media“ sollte sich lieber in Censura Medio umbenennen. Mann sollte sich nicht nur Journalist nennen, sondern auch Journalist sein und als solcher nach journalistischen Grundsätzen arbeiten.

    • Redaktion

      Bitte schreiben Sie einen Kommentar pro Artikel. Wir haben ihre Kommentare zusammengefasst und themenfremde Inhalte gelöscht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen