Freitag, März 29

Der große Rechtsruck in Thüringen – ein Freistaat wird braun

Thüringen hat gewählt – was viele Beobachter*Innen befürchtet haben ist eingetreten. Der ostdeutsche Ableger der AfD konnte viele Wähler*innen überzeugen.

Mit einem Ergebnis von 17,7% bei den Kreistags- und Stadtratswahlen machten fast zweihunderttausend Menschen ihr Kreuz bei einer Partei, die völkisches, nationalistisches und rechtsradikales Gedankengut in ihren Reihen duldet und fördert.

Ergebnisse der Kommunalwahlen 2019 in Thüringen (Kreistage / Stadträte bei Kreisfreien Städten)

Bei der gleichzeitig stattfindenden Europawahl erreichten die Rechtspopulisten sogar 22,5% mit 236.566 Kreuzen. Mit NPD, Die Rechte und 3. Weg sind es sogar 23,7% Wähler*Innen im rechtsradikalen Parteienspektrum.

Ergebnisse der Europawahl 2019 in Thüringen

Als zweitstärkste Kraft werden der Partei enorme Ressourcen zufließen. Durch die starken Ergebnisse in der Fläche kann sich die Partei über einen starken Finanzstrom freuen. Dies hilft in der aktuell angespannten Finanzsituation der Partei. Aber auch konkrete Strukturen vor Ort werden entstehen. Über ihre Fraktionen in Stadträten und Kreisräten, werden der Partei Räumlichkeiten und Mitarbeiter*innen vom Staat gestellt. Aber auch einzelne Mandatsträger erhalten Aufwandsentschädigungen, Fraktionsgelder und lukrative Aufsichtsratspositionen.

Diese Regionen in Thüringen sind am weitesten nach rechts gerückt:

In Gera wurden die Rechtspopulisten mit 28,8% stärkste Kraft. Sie werden mit 12 Sitzen die größte Fraktion im neuen Stadtrat stellen. Die SPD und Grünen stellen jeweils 3 Stadträt*innen, die CDU 6 und Die Linke 9. Viele Sitze verteilen sich auf regionale Parteien, ebenfalls erreichen die FDP und DIE PARTEI jeweils 1 Mandat. Die strukturschwache Stadt Gera zeigt eindrücklich, die Fähigkeit der AfD, sich als Protestpartei zu positionieren.

Gera ist die sozial schwächste Region in Thüringen. Mit einer Arbeitslosenquote von 8,4% (2018) bildet die Stadt das Schlusslicht im Freistaat. Auch politisch lief in der Vergangenheit einiges schief: Im Jahr 2014 mussten die Stadtwerke Insolvenz anmelden: mit Energie, Nahverkehr und Müllabfuhr. Die ehemalige Textilstadt und DDR-Bezirksstadt gehört zu den klaren Wendeverlierern. Gera konnte von 2012 bis 2018 keinen ausgeglichenen Haushalt aufstellen. Alles gute Voraussetzungen für eine Partei, die das etablierte Parteiensystem ablehnt und sich als Bewegungspartei inszeniert.

Auch Die Linkspartei verliert in der Stadt 13,2% und die ehemalige Volkspartei CDU büßt 11,7% ein.

Ergebnisse der Stadtratswahl 2019 in Gera

Im Landkreis Sonneberg verfehlt die AFD (24%) die Poleposition, kommt der CDU (37,3%), aber auch nicht bedeutend nah. Die CDU ist in den ländlichen Regionen traditionell stark vertreten und kann diese Verankerung auch gegen die neuen Rechten gut behaupten. Die Parteien des links-reformistischen Spektrums (SPD, LINKE, Grüne) kommen im neuen Kreistag von Sonneberg zusammen gerade mal auf 32,7%. Das ist ein Absturz von fast 10%. Die NPD hat mit 1,4% den Einzug in den Kreistag knapp verfehlt. Im Jahr 2014 konnte sie mit 4,3% noch zwei Sitze im Kreistag für sich beanspruchen.

Auch in den Landkreisen Saalfeld-Rudolstadt (22,3%), Saale-Orla-Kreis (20,6%), Ilm-Kreis (20.4%) und in Greiz (20,4%) konnte die AfD die Marke von 20% überschreiten.

Gemeinsam haben alle Wahlkreise mit diesen starken Rechten Ergebnissen: Sie liegen im Süden- und Osten des Freistaates. Damit folgen sie der braunen Welle aus Richtung Osten, die sich in allen Ostdeutschen Bundesländern durchgesetzt hat. Einzige Ausnahme: Hildburghausen. Hier hatte die AFD ein sehr schwaches Ergebnis von 12,3%. Dies liegt jedoch nicht an weniger rechte Wähler*Innen, denn in Hildburghausen tritt mit dem Bündnis Zukunft Hildburghausen eine rechtsextreme Wählergruppe in Erscheinung. Diese konnte mit 8,6% ihr Ergebnis signifikant verbessern. Gemeinsam kommen die beiden Rechten Fraktionen also auch auf 20,9%.

Nur die links-liberalen Städte widerstehen teilweise dem rechten Einfluss

Nur das Städteband aus Jena (10%), Weimar (11%), und Erfurt (14,8%) konnte sich gegen diesen Trend durchsetzen. Auch die an Jena und Weimar angrenzenden Landkreise: Saale-Holzland-Kreis (16,4%) und das Weimarer Land (17,6) schmälerten die Wahlerfolge der AfD durch die Strahlkraft der links-liberalen Städte in ihrer Mitte.

Die rechten Wahlergebnisse zeigen, es ist fünf nach zwölf. Die Zeit fragt bereits „ist der Osten noch zu retten?“ .

Mit den starken rechten Kommunalwahl Ergebnissen werden die Thüringer nun 5 Jahre umgehen müssen. Im Herbst stehen aber in Thüringen die Landtagswahlen an.Dennoch lassen die aktuellen Wahlergebnisse lassen nichts Gutes erhoffen.

(MM)

3 Comments

  • Christoph Matiss

    Ja? Das kann ich jetzt nicht so ganz nachvollziehen. Aber beim Thema Hetze habe ich freilich nicht so viel Ahnung wie Sie…

  • Grüner Morris

    Rechtspopulismus haben wir alle auf den Schirm, aber was ist eigentlich mit dem sich breit machenden Neoliberalismus in Jena und Umgebung? FDP (der OB), Students for Liberty (deren Chefredakteur und ehmaliger Vorstand hier studieren), RCDS gewinnt an Kraft im StuRa etc.etc.

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