Samstag, Juli 27

Europaweit und auch in Jena – Demonstrationen für den Erhalt des freien Internets diesen Samstag – Interview mit Jens Kubieziel

Am Samstag findet auch in Jena eine Demonstration unter dem Motto „SaveYourInternet Jena – Demo für ein freies Internet“ statt. Aktivist*innen in ganz Europa gehen gleichzeitig auf die Straße um gegen die geplante Urheberrechtsreform, der EU, zu protestieren. Die Demonstration findet am Samstag um 14 Uhr, beginnend am Holzmarkt, statt. Im Interview haben wir mit Jens Kubieziel gesprochen. Netzaktivist der ersten Stunde und beruflich IT-Sicherheitsberater in Jena.

Herr Kubieziel, am kommenden Samstag wird europaweit zu Protesten gegen die EU-Urheberrechtsreform aufgerufen. Auch in Jena. Sie sind einer der Veranstalter.

In Ihrem Aufruf schreiben Sie: die Reform verschlimmert die Lage für Konsumenten und Urheber. Was meinen Sie damit?

Wenn die Reform so umgesetzt wird, wie es derzeit geplant ist, ergeben sich zahlreiche Einschränkungen. Am meisten wird das derzeit unter dem Stichwort Uploadfilter diskutiert. Der Artikel 13 der Richtlinie nimmt neuerdings Betreiber von Plattformen in die Haftung. Das heißt, nahezu alle Webseiten, die es erlauben, Texte, Bilder, Musik, Videos oder andere Kunstwerke hochzuladen, müssen diese prüfen. Entweder sie besitzen eine Lizenz mit jedem Urheber oder sie müssen den Upload verweigern. Bei großen Webseiten geht dies nur durch Technik, die so genannten Uploadfilter.Diese dürfen nun möglichst keine, auch nicht die kleinsten Verstöße zulassen. Also werden diese Filter vermutlich sehr streng prüfen und im Zweifel keine Werke zum Upload zulassen. Dies ist eine sehr stark Einschränkung zu der heutigen Regelung. Die Seite Twitch hat bereits angekündigt, dass die beim Umsetzen ihr Angebot in Europa stark einschränken werden. Der Artikel 12 schreibt nun eine Regel ins Gesetz, die vorher von deutschen Gerichten als unzulässig erkannt wurde. Verwertungsgesellschaften, wie die VG Wort, schütten Geld an Künstlerinnen und Künstler aus. Vor einigen Jahren wurde ein Teil der Ausschüttung an die Verlage gegeben. Deutsche Gerichte meinten, dass Verlage keine Urheber sind und sie daher keine Berechtigung haben, dieses Geld zu bekommen. Die Reform erlaubt nun, 50% oder mehr an Verlage auszuschütten und somit die Einkommen der Urheber deutlich zu schmälern.

Insgesamt entsteht so ein deutlicher Nachteil für die genannten Gruppen.

Sie schreiben auch durch die Reform bestehe die Gefahr das Internet zu zerstören. Wie ist das gemeint?

Ein großer Teil des Internets lebt vom Mitmachen. Werke werden geändert, geremixt und neu hochgeladen. Die Uploadfilter werden schon um keine Risiken einzugehen, viele dieser Werke nicht zulassen. Es steht also zu befürchten, dass Plattformen, wie Vimeo, Twitch, Instagram weniger Inhalte bereitstellen können und ggf. auch mangels Interesse den Betrieb einstellen werden.

Aber auch die Uploadfilter wird nicht jede kleine Webseite betreiben oder gar neu programmieren können. Also werden die Angebote woanders eingekauft. Bisher bietet beispielsweise YouTube unter dem Stichwort Content-ID solch eine Technik. Es wäre zu erwarten, dass andere diese nutzen können. Damit ginge ein weiterer großer Vorteil des Netzes, die Dezentralität, verloren. Alle Inhalte würden durch einen oder wenige Anbieter vorab gefiltert.

Viele Politiker der CDU behaupten im aktuellen Entwurf stünden keine Uploadfilter. Warum demonstrieren Sie trotzdem?

Natürlich steht im Text nicht das Wort Uploadfilter. Aber stellen Sie sich vor, sie haben eine Forderung innerhalb von wenigen Stunden von Deutschland in die USA zu reisen. Der Text verlangt nicht die Nutzung eines Flugzeugs. Aber welche andere Technologie stünde heutzutage zur Verfügung?

Ähnlich sieht es mit den Filtern aus. Auf vielen Plattformen werden in großem Umfang Inhalte hochgeladen. Es ist nicht möglich, diese von Menschenhand zu prüfen. Also wird spezielle Software (so genannte Uploadfilter) benötigt.

Wie oben geschrieben, soll hierbei eine Vorab-Filterung der Inhalte passieren. Dies liegt in den Händen weniger und ist damit nahe an einer Zensurmaßnahme. Ein Blick auf die so genannte Terrorrichtlinie zeigt, dass diese Filter gleich genutzt werden sollten, um andere unerwünschte Inhalte zu entfernen.

Insgesamt ist dies eine Entwicklung, die sich nicht mit einer freiheitlichen Gesellschaft und offener Kommunikation verbinden lässt.

Viele Tech-Konzerne unterstützen die Proteste. Machen sich die Demonstrierenden mit ihren Demonstrationen zu Lobbyisten multinationaler Konzerne?

Die Proteste sind meist von Privatpersonen oder kleinen Organisationen getragen. Diese sehen Gefahren für die Zukunft des Internets und unserer Gesellschaft.

Viele der großen Konzerne, wie große Verlage, aber auch Google und andere, werden vermutlich von dieser Richtlinie profitieren und engagieren sich kaum für die Proteste.

Wie würde aus Ihrer Sicht eine gerechte Urheberechtspolitk im Internet aussehen?

Eine gerechte Urheberrechtspolitik würde sich um einen Ausgleich zwischen Urhebern und der Allgemeinheit bemühen. Die Interessen der Allgemeinheit werden nicht oder nur sehr wenig beachtet.

Mit Blick auf verschiedene Länder der EU sollten die Steuersparmodelle dringend hinterfragt werden. Einerseits werden großen Konzernen große Schlupflöcher ermöglicht. Anderenseits ziehen manche Länder fällige Steuern gleich gar nicht ein. Das Beispiel Frankreich zeigt, das konsequentes Vorgehen für höhere Einnahmen sorgt. Diese Gelder könnten an Künstlerinnen und Künstler ausgeschüttet werden oder für andere Zwecke sinnvoll verwendet werden.

Im Rahmen der Verhandlungen wurden viele weitere Vorschläge eingebracht, die in Richtung eines modernen Urheberrechts weisen. Leider fanden diese keine Beachtung.

Der CCC hat in einer Stellungnahme bereits im vergangenen Jahr gewarnt: Die Reform nutze gerade den großen Plattformen und schade den Kleinen. Ist dies im aktuellen Entwurf noch ein Problem?

Ja.

Vielen Dank für das Interview. Einen schönen Abend noch.

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