
Jena. Heute endete die Duldung des Wagenplatzes „RadAue“. Kommunalservice Jena will räumen, doch die Bewohner*Innen wollen ihr zu Hause nicht aufgeben.
Um 12 Uhr (01.11.2018) sollte die Schotterfläche „Am Steinbach 16“ von KSJ übernommen werden, da die Duldung des Wagenplatzes endete. Es waren auch zirka 30 Unterstützer*Innen vor Ort. Als die Mitarbeiter von KSJ eintrafen war dieser wider Erwarten jedoch nicht geräumt, weshalb sie Fotos von den Bauwägen (inkl. Nummernschilder) schossen. Ebenso wurde angekündigt eine einstweilige Verfügung beim Gericht zu erwirken. Wenn im Sinne der Stadt entschieden wird, will die Stadt die Bauwägen von einem Tag auf den anderen auf Tieflader abtransportieren lassen. Was für die Bewohner*Innen einen sofortigen temporären Verlust ihres Hauses, ihres Hab und Guts bedeutet und erhebliche Kosten nach sich ziehen würde.
Die Frage ist, ob eine Räumungsklage im Hauptsacheverfahren hier nicht ausreichend ist? Eine einstweilige Verfügung würde sinnvoll sein, wenn die eine Partei davon ausgehen kann, dass ihr Anspruch durch Veränderungen nicht erfüllt werden kann oder erheblich erschwert wird und zum Erhalt des Rechtsfriedens (§ 942 u. § 935 ZPO). Die BewohnerInnen können, den Platz ebenso nach einem Hauptsacheverfahren verlassen oder dazu gezwungen werden. Die Zerstörung des Platzes durch die BewohnerInnen scheint nicht realistisch. Ebenso konnte die Stadt durch die vorherige Duldung einen rechtlich nicht klaren Status akzeptieren, dass jetzt ein Bedarf zur Sicherung des Rechtsfriedens akut sei, ist schwerlich erklärbar. Wir haben die Stadt dazu befragt und erwarten bald Antwort.
Des weiteren fühlen sich die BewohnerInnen durch das Vorgehen und einer kurzen Räumungsfrist schlecht behandelt, gerade weil sie sich nach eigenen Angaben „jahrelang um eine gute Kommunikation mit der Stadtverwaltung bemüht haben“. Sie haben sich des weiteren, um einen Termin im Oktober mit dem Oberbürgermeister Nitzsche bemüht. Bei diesem Termin soll es um die Zukunft des Wagenplatzes gehen, diese Gespräche wurden den OB vom Stadtrat aufgetragen. Anfang November ist es nun doch soweit. Die BewohnerInnen sitzen auf heißen Kohlen, weil ihre Duldung abgelaufen ist und der Oberbürgermeister lässt sich Zeit.
Jennifer Rieck
Update: Im Gespräch mit der Stadtverwaltung wurde dem Wagenplatz mitgeteilt: Die Stadt will eine Allgemeinverfügung erlassen – keine einstweilige Verfügung. https://libertad-media.de/2018/rechtsamt-jena-empfiehlt-wagenburglerinnen-obdachlosenheim/
Wagenplatz: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg – PM der Rad*Aue vom
1.11.18
Trotz Stadtratsbeschluss vom 19.09.18 wurde der Verein Auf Achse
aufgefordert, die Fläche am Steinbach zum 01.11.18 zu räumen. Wir als
Platzbewohner*innen möchten an dieser Stelle begründen, wieso wir dieser
Forderung nicht nachgekommen sind. Laut Thüringer Kommunalordnung sind
die Beschlüsse der städtischen Vertreter*innen für den Oberbürgermeister
bindend. Wir fordern den Oberbürgermeister auf, die mehrheitliche
Entscheidung umzusetzen und den Wagenplatz zu legalisieren und bis dahin
auf der Fläche am Steinbach zu dulden.
In der Räumungsaufforderung an den Verein wird formuliert, dass „auch
für die Zukunft keine Möglichkeit den jetzigen Zustand zu legalisieren“
gesehen werde. Damit wird bereits das Ergebnis eines noch nicht
erfüllten Auftrags aus dem Stadtratsbeschluss vom 19.9. vorweg genommen.
Uns drängt sich der Eindruck auf, dass damit Fakten geschaffen werden
sollen. „Soll der Platz verschwinden, bevor man sich weiter damit
beschäftigen muss?“ wundert sich der Platzbewohner Volker Czerny. Diese
Missachtung einer demokratischen Entscheidung wäre ein schwerwiegender
Verstoß gegen die Thüringer Kommunalordnung. „Wenn der OB immer von
Recht und Ordnung redet, dann erwarten wir, dass er sich auch selbst
daran hält“, so Czerny weiter.
Angesichts des Stadtratsbeschlusses erscheint uns eine Aufforderung zur
Räumung des Grundstücks innerhalb von vier Werktagen als eine deutliche
Absage an die jahrelang gewachsene Kooperation.
„Zur Klärung der Situation erfragen wir schon seit Anfang Oktober einen
Termin mit dem Oberbürgermeister. Dieser findet nun erst am 8.11. statt.
Das hat bei uns den Eindruck erweckt, dass die Duldung verlängert wird“,
erzählt Emelie Schmitt.
Der Platzbewohner Richard Löwenberger: „Seit Jahren bemühen wir uns
darum, einen rechtlichen Rahmen für einen Wagenplatz in Jena zu finden.
Deswegen haben wir das Thema in Stadtrat getragen und in diesem Jahr
bereits zwei sehr positive Stadtratsbeschlüsse erreicht“. Im September
wurde beschlossen, dass für den Wagenplatz Rad*Aue am Steinbach eine
planungsrechtliche Lösung gefunden werden soll. Bis dies erreicht ist,
soll auf das gängige Mittel der Duldung zurück gegriffen werden.
Der Stadtrat Dr. Christoph Vietze hat zu den heutigen Ereignissen eine
Kleine Anfrage an den Oberbürgermeister gestellt.
Ich empfinde es als ungerecht das diese Ansammlung von illegalen Wohnmobilen so lange geduldet wurde. Was passiert eigentlich wenn ich als Normalbürger mein Haus verkaufe, ein 200000 € Wohnmobil kaufe und mich dazu stelle. Ich liebe Freiheit, kann dann auch gleich ein bisschen in der Saale rumpaddeln und habe eine Super Anbindung an die Stadt.Es gibt nun mal in jeder Gesellschaftsform Regeln. Ich habe nur Sorge um die Kinder der Wagenbürger. Denen wird nichts schönes vorgelebt.
Wieso denn? Denken Sie nicht, dass man auf einem Wagenplatz eine schöne Kindheit verbringen kann?
Wo in den gesellschaftlichen Regeln ist denn festgeschrieben dass es eine Pflicht zum Wohnen in Häusern gibt? Mir fallen diesbezüglich nur Grundrechte wie Recht auf Wohnung und freie Persönlichkeitsentfaltung ein. Eine Stadtverwaltung sollte derartigen Gedanken durch aktive Ermöglichung auch vielleicht unüblicher Ideen Rechnung tragen. Und wenn dann noch der demokratisch gewählte Souverän einen Beschluss fasst, dann hat ihn die Stadtverwaltung nach den geltenden Regeln der aktuellen Gesellschaft umzusetzen.
Und ob den Kindern in normalbürgerlichen Reihenhaussiedlungen oder Betonplatten tatsächlich immer besseres vorgelebt wird als auf einem Wagenplatz, den selbst Kinderferiengruppen schon zum Ausflugsziel erkoren haben sei mal dahingestellt.
Mir als Eigenheimbesitzer gefällt es jedenfalls dass meine Kinder auch mal etwas ungewöhnliches in ihrem Umfeld zu sehen bekommen. Horizonterweiterung schadet nie.
Es gibt in unserer Gesellschaft die Pflicht daß dauerhaftes Wohnen eine Anbindung an kommunale Wasser/Abwassersyteme und Müllentsorgung erfordert.
Es gibt in unserer Gesellschaft die Regel daß ich nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen darf. Auch mit Duldung des Stadtrates und des alten OB war diese Nutzung des Platzes zum dauerhaften Campieren (noch dazu in einem Landschaftsschutzgebiet) gesetzeswidrig.
Es gibt in unserer Gesellschaft die Regel daß neue Wohngebiete und Hausnummern von der Stadtentwicklung geplant und erschlossen werden und nicht in Wildwestmanier frei ausgesucht werden können.
Es gibt für Wohnmobile in der StVO klare Regeln zum Übernachten auf Parkplätzen.
Und klar Sie können Ihre Kinder so erziehen, daß sie zu kleinen Egozentrischen Schneeflocken werden. Wünsche Ihnen dann viel Glück im Alter.
Und da Sie Eigenheimbesitzer sind, wenn Ihr Nachbar zur Entfaltung seiner Persönlichkeit auf seinem Grundstück ein kleines Sägewerk oder einen Betrieb zur Verarbeitung von Schlachtabfällen errichtet, haben Sie vielleicht auch etwas dagegen?