Freitag, April 19

Jena – noch kein „sicherer Hafen“: Kundgebung der Seebrücke

Seebrücke Protestcamp am Johannistor. Foto: Lara Eckert / Libertad Media

Jena. Am Freitagnachmittag fand beim Johannistor eine Auftaktkundgebung zur neuen Mahnwache der Seebrücke statt. Die Jenaer Gruppe will diese dazu nutzen, um auf die Lage der Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen und in deutschen Sammelunterkünften aufmerksam zu machen. Die Versammlung wurde durch die Polizei verzögert, weil diese zwei Menschen auf einen bisher ungeklärten Verdacht hin festhielten. Auch die Auflagen der Versammlungsbehörde seien nicht berücksichtigt wurden, da ein Banner zwischen den Bäumen hinter dem Johannistor aufgespannt war. Mit etwas Verspätung begann daraufhin aber die Kundgebung.

Die Forderungen des Bündnisses, mit denen sich auch die Stadträtin Lena Saniye Güngör (Linke) in einer Rede solidarisierte, dürften den meisten Anwesenden bekannt gewesen sein: Es geht um die Evakuierung und sichere Unterbringung der Geflüchteten in den Lagern an den Außengrenzen der Europäischen Union, ein Ende der Kriminalisierung von ziviler Seenotrettung, ein Ende von Abschiebungen und den sogenannten Pushbacks europäischer Grenzbehörden. Dass die griechische Küstenwache Flüchtlingsboote zum Teil seeuntüchtig in türkische Gewässer zurückdrängte, hat ihr seit letztem Jahr umso mehr Vorwürfe nicht nur fahrlässiger Tötung, sondern auch des Mordes an Hilfsbedürftigen eingebracht. Der Handlungsrahmen für das Land Thüringen, zu einer humanen Antwort auf Migrationsbewegungen beizutragen, bestehe zwei Sprecherinnen der Seebrücke Jena zufolge darin, jedes rechtliche Mittel auszunutzen, um die weitere Blockade des Thüringer Landesaufnahmeprogramms durch das Bundesinnenministerium zu durchbrechen, und eigene Handlungsoptionen auszuloten.

Auch wandten sich die Aktivist*innen mit Nachdruck an die kommunale Politik. Der Stadtrat hatte der Stadt Jena auf Initiative der Linksfraktion im April 2019 das Prädikat „sicherer Hafen“ gegeben und damit Aufnahmebereitschaft Geflüchteter über den Verteilerschlüssel hinaus beschlossen. Dieser Akt war mit Blick auf die äußerst begrenzten Kompetenzen der Kommunen in der Migrationspolitik zwar zunächst symbolisch, die Aktivist*innen der Seebrücke sehen allerdings auch unter diesen Bedingungen mehr Raum, die Solidaritätsbekundung praktisch werden zu lassen.

Das Ziel, als aktive Unterstützerin ziviler Rettungsinitiativen in Erscheinung zu treten, wie es das Prinzip eines sicheren Hafens verlange, habe Jena bisher „null erfüllt“. Abgesehen von den Zielen, über die übliche Verteilungsquote hinaus Geflüchtete aufzunehmen und hierfür Kapazitäten zu schaffen, sind die Forderungen der Seebrücke zwar nicht im ursprünglichen Beschluss des Stadtrats enthalten. Das Bündnis stützt sich aber mit seinem Vorstoß auf die zuvorkommende Bereitschaft zu einer humanen Migrationspolitik, die die vergangenen Beschlüsse des Stadtrates eigentlich verkörpern sollten.

Zitiert wurde auch eine kleine Anfrage der grünen Stadtratsfraktion vom 15. Januar, die ergab, dass von den 312 verfügbaren Plätzen in Geflüchtetenunterkünften 68 derzeit von amtlich anerkannten Geflüchteten bewohnt werden. Die Stadt müsse sich aktiv dafür einsetzen, deren Recht auf eigenen Wohnraum zu sichern, indem sie solchen zur Verfügung stellt. Die Sammelunterkünfte seien auch hierzulande „lagerähnlich“, hieß es auf der Kundgebung. Die Unterbringung von Asylanwärter*innen müsse ebenso dezentral erfolgen. Die Stadt könne darauf hinwirken, die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl zu evakuieren, indem sie eigens Kapazitäten schaffe. Den Unruhen unter Bewohner*innen der Erstaufnahmestelle könne mit mehr Überwachung nicht beigekommen werden, weil die zentrale Unterbringung selbst den Nährboden für Konflikte bereite.

Alle Forderungen, ob an die EU-, die Bundes-, Landes- oder Kommunalebene, waren geprägt von der Einsicht, dass auf eine „europäische Lösung“ nicht gewartet werden dürfe, weil das hieße, dem Ertrinken, Erfrieren und dem Ausharren in eng bewohnten Lagern und Unterkünften weiter zuzusehen. Das machten auch Augenzeugenberichte Geretteter deutlich, die verlesen wurden. Im Rahmen der Mahnwache sind für das Wochenende weitere Aktionen geplant und helfende Hände gesucht, die die erschütternden Eindrücke aus den Lagern Moria und Lipa, aus dem Mittelmeer und aus Suhl in die Öffentlichkeit tragen.

(pj)

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