Dienstag, April 23

Ausstellung „Jugend im KZ. Buchenwald und Mittelbau-Dora“ eröffnet

Befreites Kind im KZ-Außenlager Boelcke-Kaserne in Nordhausen, nach dem 11. April 1945. Bild: Gedenkstätte Mittelbau-Dora

Bereits vor Beginn des Zweiten Weltkriegs befanden sich vereinzelt auch jugendliche Häftlinge im Konzentrationslager Buchenwald. Ab dem Frühjahr 1944 brachte die SS zahlreiche Kinder und Jugendliche aus den Vernichtungszentren und Zwangsarbeitslagern im Osten nach Buchenwald und zum KZ Mittelbau-Dora. Auch aus Westeuropa verschleppte sie viele Jugendliche hierher. Im Dezember 1944 war jeder dritte Insasse des KZ Buchenwald jünger als 21 Jahre – in den Frauenaußenlagern war der Anteil doppelt so hoch. Etwa 2.000 Kinder und Jugendliche starben in Buchenwald und Mittelbau-Dora an Entkräftung oder Krankheiten, wurden erschlagen oder erschossen. 

Studierende der Friedrich-Schiller-Universität haben diesen Schicksalen nun nachgespürt und ihnen die Online-Ausstellung „Jugend im KZ. Buchenwald und Mittelbau-Dora“ gewidmet, in enger Zusammenarbeit mit der von Prof. Dr. Jens-Christian Wagner geleiteten Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Anlässlich des 76. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora wurde die Website https://www.jugend-im-kz.de nun freigeschaltet, deren Gestaltung und Realisierung das Berliner Studio IT’S ABOUT übernommen hatte. An der digitalen Eröffnung am Freitag (9.4.) nahm unter anderem der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow teil. Der 1933 geborene Zeitzeuge Shraga Milstein, der das KZ Buchenwald als Kind überlebt hat, schickte eine Live-Grußbotschaft aus Israel.

Hunger, Tod – und Weiterleben ohne Kindheit

Zum einen bieten die Ausstellungsmacherinnen und -macher zeitgemäß aufbereitete, allgemeine Informationen zu den beiden Konzentrationslagern und Themenkomplexen wie „Jugend im Nationalsozialismus‘“. Zum anderen eröffnen sie auf vielfältige Weise Zugänge zu einzelnen Häftlingsbiografien. „Die Studierenden haben die Hintergründe zu diversen Häftlingsgruppen recherchiert und die Informationen für die Ausstellung anschaulich dargestellt“, informiert der Ko-Kurator Dr. Daniel Schuch von der Universität Jena. „Außerdem haben wir schriftliche Erinnerungsberichte, Zeichnungen, Fotos sowie Video- und Tondokumente eingebunden.“ Das eindrucksvolle Material ermöglicht persönliche Einblicke in die Erfahrungsräume der jungen Gefangenen, wie sie mit der alltäglichen Bedrohungssituation, mit Hunger und Tod umgingen, wie sie etwa durch Fantasie dem permanenten Gefühl des Ausgeliefertseins begegneten und wie sie ihren Überlebenswillen aufrecht hielten. Und auch, wie für die Überlebenden nach der Befreiung ein Weiterleben ohne Kindheit möglich war.

Die Kinder und Jugendlichen im Lager wurden in die gleichen Gruppen eingeteilt wie auch die Erwachsenen. „Es finden sich hierbei ebenfalls jüdische Kinder, Sinti und Roma sowie sogar Dreijährige, die als politische Gefangene eingeliefert wurden“, sagt Schuch. „Zudem gelangten etwa im Rahmen der Aktion ,Arbeitsscheu Reich‘ 1938 einige Jugendliche ins KZ Buchenwald, die als ,asozial‘ deklariert wurden.“ Ebenfalls wie bei den Erwachsenen hing auch das Überleben der minderjährigen Häftlinge davon ab, ob sie Zwangsarbeit leisten konnten. Hunderte von ihnen schickte die SS als „nicht arbeitsfähig“ mit Todestransporten nach Auschwitz. Durch die Organisation von Schutzräumen und Kinderblocks versuchten politische Funktionshäftlinge, die jüngsten unter ihnen vor diesem Schicksal zu bewahren.

Ausstellung konzipiert im Seminar

Im zurückliegenden Wintersemester erschlossen sich Studierende der Universität Jena in einem von Prof. Dr. Wagner und Dr. Schuch gemeinsam durchgeführten Seminar am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit die Kontexte zum Thema „Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus“ sowie zu den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora und den darin inhaftierten minderjährigen Gefangenen und ihren vielfältigen Verfolgungsgeschichten. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich die Beziehungsgeschichte zwischen ausgegrenzten und verfolgten Kindern und dem Nachwuchs der selbsternannten „Herrenmenschen“ entwickelte. Auch der Umgang der Nachkriegsgesellschaften mit dem Thema wurde bearbeitet.

„Wir haben uns vorgenommen, die enge Verbindung des Lehrstuhls für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora dafür zu nutzen, die universitäre Lehre mit Praxisbezügen zu stärken“, sagt Prof. Dr. Jens-Christian Wagner von der Universität Jena. „Deshalb bieten wir den Studierenden die Möglichkeit, an konkreten Produkten mitzuarbeiten, mit denen Geschichte in die Öffentlichkeit gebracht wird – wie jetzt mit der Online-Ausstellung ‚Jugend im KZ‘“.

Ursprünglich sollte die Online-Ausstellung die von der Gedenkstätte Bergen-Belsen erarbeitete Sonderausstellung „Kinder im KZ Bergen-Belsen“ (kinder-in-bergen-belsen.de) ergänzen, die im Rahmen des 76. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald im April 2021 ebendort zu sehen sein sollte. Doch die Präsentation der Wanderausstellung verschiebt sich Corona-bedingt – sie soll nun ab Januar 2022 in Erfurt haltmachen. 

Pressemitteilung der Universität Jena

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