Jena. Diesen Freitag will das Theaterhaus Jena das Stück „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“ uraufführen, das auf dem gleichnamigen Roman von Christa Wolf aus dem Jahr 2010 basiert. Die Schriftstellerin fiktionalisierte darin eine psychoanalytische Selbstsuche, der sie während einer Rechercheresidenz in Los Angeles in den 90er Jahren nachging.
Die Bühnenfassung für das Kammerspiel erarbeiteten die Regisseurin Lizzy Timmers und die Leipziger Gastschauspielerin Charlotte Puder während der ersten Kontaktbeschränkungen, indem sie zunächst über Videochat Passagen aus dem rund 600 Seiten dicken Roman einübten, die zu ihnen sprachen. In der Bühnenbearbeitung geht es unter anderem um die verdrängte Stasi-Tätigkeit von Wolfs Romanfigur. In einem Monolog heißt es von der nachdenklichen Protagonistin etwas abgeklärt: „Eine Krise soll ja auch ihre Vorteile haben. Zumindest behaupten das die Menschen, die gerade nicht in der Krise stecken.“
Der Dramaturg Thorben Meißner kommentierte, die Inszenierung gehe der Frage nach, was das Vergessen zu bedeuten habe, das Christa Wolf in den frühen 90er Jahren wieder einholte, als die Verstrickung der späteren Dissidentin in das stalinistische Regime publik wurde und sie sich gerade in der „Stadt der Engel“ in den USA befand. Timmers fügte hinzu, die öffentliche Reaktion sei mit heutigen Shitstorms vergleichbar; Aufgabe der Kunst sei es da, nicht an die Schwarz-Weiß-Malerei zu kapitulieren.
Das anderthalb Stunden lange Stück soll im Kassablanca aufgeführt werden. Die Regisseurin erwartet sich von der Kooperation, dass die Aufführungen nicht nur Stammgäste des Theaterhauses anziehen werden. Ob das Stück überhaupt richtig anlaufen kann, ist in Anbetracht neuer bundesweiter Kontaktbeschränkungen jedoch ungewiss.
(pj)
Die Premiere des Stücks „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“ wird am 30.10. stattfinden. Die beiden Oktobervorstellungen sind bereits ausverkauft.